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Angela Cremer

– Das Sprechen der Bilder

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Ausschnitte eines Textes von Dr. Volker Wortmann (Kulturwissenschaften Universität Hildesheim)

Zur Ausstellungseröffnung in der Kreissparkasse Hildesheim/Geschäftsstelle Gronau am 04.03.2004

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… Es lässt sich auch über die Bilder heute Abend hier trefflich sprechen – man kann über Form und Farbe reden, doch glauben sie bitte nur nicht, dass damit ein Bilds zum Sprechen gebracht wäre, oder dass es damit zu verstehen sei. Dennoch will ich es tun, aber wohlgemerkt unter dem Vorbehalt, über diese  Bilder zu sprechen, und nicht mit den Bildern.

Als ich zum erstenmal Bilder von Angela Cremer zu sehen bekam – es wird nun schon beinahe fünf Jahre her sein -, waren es experimentelle Formkompositionen. Diese Bilder waren in einem besonderen Sinne sehr konkret, aber keinesfalls gegenständlich. Ausgangspunkt waren die Formen, die man erhält, wenn man die Nähte einer Lederjacke auftrennt, sozusagen die Schnittmuster, aber eben nicht als Muster, sondern schon in der zugeschnittenen Konkretion, dann aber wiederum auch nicht als Bekleidungsstück, sondern als Form – eben so, wie wir ein Bekleidungsstück niemals betrachten könnten, wurden diese Formen in den Bildern neu zusammengesetzt, komponiert und ließen in Gestalt kaum mehr erahnen, was ihr Ursprung gewesen war. Der Reiz dieser Bilder war vielfältig: es gab die Verschiebung vom Schnittmuster zur Form, die eigenständige Komposition mit seinen Formen, die in Beziehung zueinander traten. Es gab die Farbkomposition, die dem Bild einen besonderen Rhythmus verlieh, die das Bild sozusagen zum >klingen< brachte. Die darauf folgende >Phase< kann man als Zwischenschritt beschreiben; diese Bilder waren sozusagen die Vorstufe von dem, was wir heute Abend zu sehen bekommen. Hier nun waren die Formen vom Bildgrund selbst aufgenommen, und nicht mehr als >Fremdkörper< aufgesetzt. Die Kompositionen erschienen dadurch freier, vielleicht auch rhythmischer. Bisweilen fand man in diesen Bildern Konkretionen, die an Gegenstände, oder Symbole erinnerten: eine Tasse heißen Kaffees z.B., oder war es doch das Auge eines Walfisches? Ein Kreuz, drei Linien, die als fragile Beine einen mächtigen Korpus tragen. Das leicht geneigte, schmale Trapez, dass vor der sich emporstemmenden Klippe ein Leuchtturm sein könnte – aber warum steht er dann vor der Klippe, und nicht auf ihr? Die Formen changierten in ihren Bedeutungsmöglichkeiten und waren nicht wirklich greifbar. Und wenn man versucht war, sich wider besseren Wissens festzulegen, entglitt einem Form und Bild in gleichem Moment. In den Bildern heute Abend sind nun zum Teil auch die klar umrissenen Formen der vorherigen Arbeiten bisweilen ganz aufgelöst. Man sieht nur noch den Bildgrund und auf ihm ein Rauschen der Farbpigmente. Es scheint fast so, als hätte Angela Cremer sich in den letzten Jahren nach und nach dem Grund ihrer Bilder genähert und sei nun dort angekommen. Aber es ist selbstredend nicht der Bildgrund, der uns besticht, der als erstes ins Auge tritt – er tritt sogar zurück, zurück hinter die Lichtquellen, die die Form der vorherigen Bilder ganz aufbrechen, nun selbst formgebend werden, Tiefe in den strukturlosen Bildgrund einweben. Insofern ist der Titel dieser Ausstellung mit »Licht und Raum« treffend gewählt, denn obwohl wir beim Betrachten der Bilder in eine unermessliche Tiefe zu sehen meinen, gibt es neben den Lichtpunkten kaum einen Anhaltspunkt, der dem Bildraum Tiefe geben könnte. Bestenfalls der durch eine diffuse Linie angedeutete Horizont, der nun aber wieder selbst als Effekt der Lichtgebung erscheint.

Das eine oder andere Bild dieser Serie mag entfernt an die Malerei William Turners erinnern, jenen Landschaftsmaler also des frühen 19. Jahrhunderts, aus dessen Bilder das Licht geradezu herausstrahlt, in denen das Licht die Formen überstrahlt und sie in Ansätzen auch zum Verschwinden bringt – mit dieser Assoziation erscheinen die Bilder Angela Cremers wie eine Radikalisierung der Bildidee William Turners. Sie nimmt sozusagen eine Spur auf, die die Bildgeschichte vor gut 150 Jahren verloren hat und das Ergebnis kann man heute Abend hier besichtigen.

… Wenn sie also heute Abend die Bilder sprechen lassen, dann kann es sein, dass sie vielleicht zunächst kaum mehr als das Rauschen indifferenter Farbpigmente sehen, aber dieses Rauschen ist gleichsam nur der Hintergrund für das, was sich in einem Bild oder mit einem Bild wahrnehmen lässt. Es könnte sein, dass diese Bilder uns dazu verhelfen, genau das  wahrzunehmen, was in unseren alltäglichen Situationen Tag aus, Tag ein nicht zur Sprache kommt und was dennoch nicht weniger wahr ist, als was sich sagen lässt. …

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